Die ganze Woche schon haben wir hier im schönen Tirol absolutes Glück mit dem Wetter. Da wir das Alpbachtal aber unter keinen Umständen verlassen können, ohne den Schlechtwetter-Tipp überhaupt besichtigt zu haben, fahren wir bei strahlendem Sonnenschein nach Rattenberg. Genauer gesagt, zu Kisslinger Kristall-Glas.
An dieser Stelle möchten wir erwähnen, dass Rattenberg aber nicht nur bei Regen ein attraktives Alternativprogramm bietet. Auch bei schönem Wetter ist die kleinste Stadt Österreichs, die sich ihr mittelalterliches Stadtbild nahezu vollständig erhalten hat, einen Besuch wert.
In der malerischen Fußgängerzone Rattenbergs empfängt uns Hannes Kisslinger, der Chef von Kisslinger Kristall-Glas. Er leitet das Unternehmen in der dritten Generation und hat uns eine Menge über Rattenberg, sein Unternehmen und die Glasblaskunst zu erzählen.
So erfahren wir, dass es in Rattenberg noch acht glasverarbeitende Betriebe gibt, aber Kisslinger Kristall-Glas ist der einzige, in dem ein Glasofen steht und tatsächlich auch Glas geblasen wird. Und das bereits seit 1946. Das Haupthaus des Unternehmens erstreckt sich über mehr als 1.000 Quadratmeter, verteilt auf vier Etagen: D.h. es gibt jede Menge Platz für stilvolle Glaskunst und ihre Herstellung und natürlich jede Menge Informationen darüber.
Hannes Kisslinger führt uns durch sein denkmalgeschütztes Haupthaus, das jährlich von vielen tausend Besuchern bewundert wird. Man merkt Herrn Kisslinger seine Leidenschaft für das Handwerk an. Fasziniert betrachten wir die unendlich vielen Kunstwerke in seinem Geschäft und lauschen seinen Ausführungen zu den handgefertigten Geschenkartikeln, Schmuckstücken, Gläsern, Bewässerungskugeln, mundgeblasenen Kristalltieren, den Ausstellungsräumen, den Rattenberger Felsgrotten und -höhlen sowie der Stadt- und Firmengeschichte.
Wir betreten einen Zwischenraum und unwillkürlich wird uns, beim Anblick eines knapp 1500 Grad heißen Ofens, ein wenig wärmer. Wir sind in der Schauglasbläserei des Unternehmens angekommen. Auf einer Art Bühne führen zwei Glasbläser die Techniken des Glasmachens vor, die bereits Jahrhunderte alt sind. Es wird erhitzt, geblasen, gedreht, gezogen, erneut erhitzt, hinzugefügt, abgetrennt und dann schauen wir in die Glubschaugen eines Glasfroschs.
10 Jahre braucht es, bis man Meister dieses Fachs ist, und auch bei ganz genauem Betrachten ist es für uns phänomenal und absolut nicht nachzuvollziehen, woran die Glasbläser erkennen, wie weit die zähflüssige, glühende Masse gezogen und wieder gedrückt werden muss, bis eines dieser vielen kleinen Kunstwerke entstanden ist. Ein bisschen fühlen wir uns wie damals als Kinder bei einer Zaubervorführung: Ein paar äußerst geschickte Handgriffe und schon wird aus einem “Nichts” ein “Etwas”. Die Technik, der sich die Glasbläser dabei bedienen, ist nahezu die Gleiche wie früher. Die Glasmacherpfeife wurde vor ca. 2000 Jahren, um Christi Geburt, erfunden.
Täglich können Besucher hier beim Bearbeiten der Kundenaufträge zuschauen. Die Glasbläser fertigen auf Bestellung an. Montags und freitags dürfen Kinder sich selbst im Handwerk versuchen und mit Hilfe der erfahrenen Mitarbeiter ihre eigenen Figuren herstellen.
Nach der Schauglasbläserei gehen wir zu den nicht weniger interessanten Glasgraveuren, die das fertige Glas mit Diamant- und Sandsteingravuren veredeln. “4 Jahre lernt man diesen Beruf, aber auch nach 30 Jahren hat man nicht ausgelernt”, sagt uns die nette Glasgraveurin, der wir über die Schulter schauen dürfen. Und diesen Eindruck haben wir auch bei dem Glasmaler, der mit absolut ruhiger Hand wunderschöne Motive auf das Glas zaubert. 40 Mitarbeiter beschäftigt Hannes Kisslinger, die täglich 400 kg Glas verarbeiten und z.B. auch den Goldpokal für die US Open herstellen.
Der 4. Stock ist ausschließlich der Glaskunst gewidmet. Kisslinger selbst sowie andere Künstler präsentieren hier kleine und große Glaskunstwerke für Liebhaber. Herr Kisslinger demonstriert uns das Phänomen Glas und wie man durch geschickte Lichteinflüsse ein Kunstobjekt, im wahrsten Sinne des Wortes, in einem anderen Licht erscheinen lassen kann.
Auch Übungsobjekte einiger Studenten der Glasfachschule Kramsach - der einzigen ihrer Art in ganz Österreich - entdecken wir. Aus dem ganzen Land kommen künftige Glasverarbeiter, um das Handwerk zu lernen. Und auch international ist die Schule hoch angesehen.
Nachdem wir die vielen wunderschönen Glasobjekte gesehen haben und lernen durften, wie diese hergestellt werden, wollen wir natürlich Kisslinger Kristall-Glas nicht verlassen, ohne uns selbst ein Glassouvenir mitzunehmen. In der Fußgängerzone von Kramsach gibt es verschiedene Kisslinger-Geschäftsräume, die wir deswegen alle gewissenhaft durchstöbern. Sollen wir Gläser mitnehmen, eine Vase oder doch lieber ein Glastier? Die Auswahl ist so riesig und wir würden am liebsten alles mitnehmen. Doch leider reicht der Platz in unserem Kofferraum nicht für die gesamte Palette an Kisslinger-Glas-Produkten.
Wer nach Rattenberg fährt, sollte auf jeden Fall Kisslinger Kristall-Glas besuchen und hierfür ein wenig Zeit einplanen, um die Herstellung und die faszinierende Welt des Kristallglases richtig genießen zu können. Auch für die Auswahl des richtigen Mitbringsels sollte man sich ein bisschen Zeit lassen.