Great Walks: Großartig weitwandern

Great Walks: Großartig weitwandern

Eine Vielzahl an Weitwanderwegen durchzieht Tirols Berge wie ein feines Netz. Die spektakulärsten unter ihnen tragen jetzt das Prädikat Great Walks. Sechs Weitwanderwege, die in allen Kriterien beeindrucken: Sie sind mental und technisch herausfordernd, bieten ein einzigartiges Naturerlebnis, eine ausgezeichnete Infrastruktur und begeistern durch Streckenbeschaffenheit und Routenführung.

Wie fühlt sich das Ausbrechen aus dem Alltag an? Vielleicht so: Route planen, Rucksack packen und hinaus in die Natur. Drei Tage, fünf Tage oder auch zehn Tage in den Bergen unterwegs sein, immer getragen von den eigenen Füßen. Einsamkeit genießen. Jeden Morgen beobachten, wie die Sonne langsam Gipfel um Gipfel in warmes Licht taucht. Jeden Abend sehen, wie sie hinter mächtigen Felswänden verschwindet. Weitwandern ist echtes Bergerlebnis: Kilometerlange Routen führen uns auf sicheren Wegen durch fantastische Landschaften, zu urigen Hütten und an die eigenen Grenzen.

Fachgebiet Bergtouren: Die Experten

Prämiert wurde die "Elite" unter den Weitwanderwegen von einer Expertenjury: Vier Fachleute, die sich seit Jahren dem Thema Bergtouren und Bergsport verschrieben haben. Neben Irene Rapp, einer Tiroler Journalistin und Fachredakteurin für alpine Themen in der größten regionalen Tageszeitung gehört auch Mike Rutter zur Jury. Er ist geprüfter Bergführer und hat unter anderem den bekanntesten Weitwanderweg der Alpen, den Adlerweg, mitkonzipiert. Der dritte im Bunde ist Ambros Gasser: Er ist ebenfalls geprüfter Bergwanderführer und Geschäftsführer von ASI Reisen, einem der führenden Anbieter für weltweite Aktivreisen. Peter Kapelari, Experte für Infrastruktur, Kartografie und Wege vom Österreichischen Alpenverein vervollständigt das Jury-Quartett.

Wanderer auf dem Adlerweg über Innsbruck
Wanderer auf dem Adlerweg über Innsbruck © Jüttner Schels

Der Adlerweg: Quer durch das ganze Land

Er ist der König aller Weitwanderwege in Tirol: Der Adlerweg mit insgesamt 33 Etappen, einer Länge von 413 Kilometern und rund 31.000 Höhenmetern, die zu bewältigen sind. Der Weitwanderweg ist in zwei Varianten aufgeteilt. Die längere Strecke führt in 24 Etappen durch Nordtirol, ausgehend von St. Johann in Tirol bis ganz in den Westen nach St. Christoph am Arlberg. Der kleine Adlerweg durchquert auf neun Tagesetappen die Glockner- und Venedigergruppe in Osttirol. Wer beide Wege meistern will, braucht vor allem viel Zeit – aber auch alpine Erfahrung, Trittsicherheit und Schwindelfreiheit. Das Spannende an diesem Weitwanderweg ist vor allem die Vielseitigkeit: Von weitläufigen Genusswanderungen bis zum hochalpinen Abenteuer steht alles am Programm. Mit starken Gegensätzen beeindruckt besonders das Karwendel mit dem Goetheweg. Hier wandert man weit oberhalb von Innsbruck in hochalpinem Gelände, die Stadt immer im Blick. "Dieser Kontrast zwischen wilder Bergwelt und dem Urbanen ist einzigartig", sagt Mike Rutter.

Der Berliner Höhenweg: Glanz und Gloria aus dem 19. Jahrhundert

Dieser Weg ist eine herausfordernde Tour für erfahrene Bergwanderer: Die gesamte Strecke ist 85 Kilometer lang, umfasst etwa 6.600 Höhenmeter und in acht Tagen zu bewältigen. Der Weg führt von Finkenberg und der Gamshütte durch den Hochgebirgs-Naturpark Zillertaler Alpen. Hier warten herrliche Ausblicke in die vergletscherte Hochgebirgswelt. Höhepunkt ist für die meisten jedoch die Berliner Hütte. Sie ist die größte Alpenvereinshütte in den Zillertaler Alpen und steht unter Denkmalschutz. War sie am Anfang nur eine bescheidene Schutzhütte, wurde sie 1912 aufwändig umgebaut. Herzstück der Hütte ist der prachtvolle Speisesaal mit fünf Meter hohen, holzvertäfelten Wänden, detaillierten Tischlerarbeiten und Kronleuchtern. "Die gesamte Architektur und Ausstattung wurde von Berlin aus errichtet und koordiniert", sagt Peter Kapelari.

Der Inntaler Höhenweg: Durch den Zirbenwald

Zwischen Innsbruck- Igls und Schwaz schlängelt sich dieser Weg in etwa 2.000 Meter Höhe aussichtsreich über dem Inntal durch die Tuxer Alpen. Er ist vor allem unter Feinschmeckern beliebt, denn alle Hütten entlang der Tour bieten ausgezeichnete Verpflegung. Die Tour ist in sechs mittelschwierigen – schwierigen Tagesetappen zu schaffen. Landschaftliches Highlight dieser Tour ist der Zirbenweg auf der ersten Etappe, der durch das Landschaftsschutzgebiet zwischen Patscherkofel, Zirmberg, Viggartal und Glungezer oberhalb der Blauen Seen führt. "Der Zirbenweg ist einzigartig und beeindruckend schön. Der Zirbenbestand zählt zum ältesten Europas", schwärmt Ambros Gasser.

Der Lechtaler Höhenweg: Der Ungezähmte

Dem Lechtaler Höhenweg zollen die Experten aus der Fachjury besonderen Respekt. "Die Landschaft hier ist wild, erhaben, gewaltig, aber auch respekteinflößend", sagt Irene Rapp. Der Bergweg begeistert mit Naturschönheit, aber er fordert bergsteigerisches Können: Auf diesem hochalpinen Steig ist man ständig auf 2.000 bis 2.500 Metern Seehöhe unterwegs. Inklusive aller Varianten ist dieser Weg in 18 Etappen unterteilt, die in 10 bis 19 Tagen machbar sind. Wer die kürzeste Route wählt, muss fast 7.000 Höhenmeter und 85 Kilometer auf meist schwierigen Steigen überwinden. Von der Herausforderung erholen können sich Alpinisten auf 13 Alpenvereinshütten entlang der Strecke. "Der Lechtaler Höhenweg zählt zu den einsameren Touren, hier sind auch die Hütten oft klein und beschaulich", sagt Mike Rutter. Landschaftlicher Höhepunkt ist der Steinsee: Wie eine grün-blaue Perle leuchtet er inmitten der majestätischen Bergkulisse vor der markanten Dremlscharte.

Der Stubaier Höhenweg: Dem Gletscher ganz nah

Auf sieben Etappen und knapp 80 Kilometern erlebt man am Stubaier Höhenweg das Naturwunder Gletscher besonders intensiv: "Vor allem auf der Etappe zwischen Dresdner und Bremer Hütte kommt man dem Ewigen Eis nahe", verrät Mike Rutter. Insgesamt 5.000 Höhenmeter müssen auf diesem anspruchsvollen Bergweg gemeistert werden. Acht Hütten laden entlang der Strecke zur Rast oder zur Übernachtung ein. Neben den Gletscherblicken begeistert am Stubaier Höhenweg die Einsamkeit: "Obwohl die Region zu den tourismusintensivsten gehört, ist man in diesem Gebiet fast immer ungestört und alleine unterwegs", bestätigt die Jury.

Der Karnische Höhenweg: Gratwanderung mit Ausblick

Wer am Karnischen Höhenweg unterwegs ist, wandert auf Geschichte: Der Weg wurde entlang der österreichisch-italienischen Frontlinie aus dem ersten Weltkrieg angelegt und führt vor allem im ersten Drittel der Strecke auf militärischen Steigen. "Immer wieder sind alte Stellungen und Schützengräben zu sehen", erinnert sich Irene Rapp. Die anspruchsvolle Strecke beginnt in Sillian im Hochpustertal und endet nach elf, teilweise sehr langen, Tagesetappen in Unterthörl in Kärnten. Alpinisten schätzen die Gratwanderung mit einer Gesamtlänge von 168 Kilometern auch wegen des fantastischen Panoramas: Bis in die Dolomiten reicht der Blick. Auf jeder Etappe finden Bergwanderer Almen, Hütten und Gasthäuser, außerdem locken mehr als 30 beachtliche Wandergipfel. "Und hinter jeder Biegung findest du andere Blumen oder den nächsten See", erzählt Peter Kapelari.